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Reisebericht Costa Rica

Das volle Leben hat uns sofort in seinen Bann gezogen. Auf der einen Seite ist das sicher die überwältigende Natur mit einer grandiosen Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren. Andererseits sind es aber auch die Ticos welche mit einer schwer zu beschreibenden Mischung aus Freundlichkeit, natürlichem Selbstbewusstsein, Stolz und Schalk sehr offen und unkompliziert mit ihren Mitmenschen umgehen.

 

Gestartet sind wir mit einer Biketour welche uns in 16 Tagen vom Parque Rincon de la Vieja im Norden, an  die Südspitze der Osa Halbinsel mehr oder weniger entlang der Pazifikküste führte. Costa Rica ist ein sehr hügeliges und bergiges Land sobald man den Küstenstreifen verlässt. Bei hohen Temperaturen kamen wir ordentlich ins Schwitzen. Meistens waren wir auf staubigen Pisten und Feldwegen unterwegs oder auf alten Dschungelpfaden, abseits von verkehrsreichen Strassen. Staub, feuchter Regenwald, Schweiss, mehrere Flussquerungen jeden Tag, salzige Strände, giftige Anstiege und allerhand Moskitos...die Herausforderungen für Mensch und Maschine sind vielseitig.  Aber wenn du nach fünf, sechs Stunden pedalieren ankommst, ein kühles Bier aufmachst, am Bacardiwerbespotwürdigen Pazifikstrand lau vor dich hindümpelst und später ein feines Nachtessen geniesst, dann spürst du es so richtig: Pura Vida!  

 

Ein besonderer Höhepunkt war die Etappe mit den meisten Höhenmetern (alle bergab...). Ab Cartago im zentralen Hochtal führte uns unser Begleitfahrzeug, welches während der ganzen Tour unser Gepäck nachführte, auf einen Übergang an der Cordillera de Tilaran auf knapp 3000 MüM. Von da führt ein Pfad über 70 Km abwärts bis an die Pazifikküste. Ein Ritt durch unterschiedlichste Vegetationszonen. Im Hochland wird hauptsächlich Kaffee angepflanzt aber auch Gemüse (viele Kartoffeln) oder Erdbeeren. An den westlichen Hängen der Cordillera beginnt dann der Nebelwald. Die Feuchte Luft kondensiert an den steilen Hängen zu Nebel und dieser befeuchtet den mystischen Nebelwald, die Heimat des sagenumwobenen Quetzal.  Darunter folgt der tropische Trockenwald und an der Küste entlang dann, erstrecken sich viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe, vor allem Rinderfarmen in einem eher trockenen und heissen Gebiet .

Costa Rica ist flächenmässig nur wenig grösser als die Schweiz und hat ca. 4.5 Mio. Einwohner. Rund ein Drittel der Landesfläche sind Nationalparks, Naturschutz- oder private Schutzgebiete. Der wichtigste Wirtschaftszweig ist der Tourismus. Dabei wird seit Jahrzenten erfolgreich auf Ökologie und Nachhaltigkeit gesetzt. Obwohl das Land jährlich von über 2 Mio. Touristen besucht wird, gibt es hier (noch) keinen Massentourismus. Die Gesetze, welche die wichtigste Ressource des Landes schützen, die Natur, werden wirkungsvoll umgesetzt und zwar für alle. Beispielsweise sind alle Strände (bis 50 M hinter die Flutlinie) sowie die sehr zahlreichen Flussufer (150 M) öffentlich zugänglicher Grund und dürfen nicht bebaut werden. 

Der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor ist die Herstellung von Prozessoren für Computer. Davon haben wir nichts mitbekommen. Was man jedoch häufig sieht sind die Plantagen für Bananen, Ananas und Kaffee welche in dieser Reihenfolge die Devisenbringer Nr. 3 – 5 sind. Chiquita, del Monte und Dole sind hauptsächlich in den Küstenregionen der Karibik sehr präsent mit riesigen Plantagen und den dazugehörigen Verarbeitungsbetrieben. Ein Plantagenarbeiter (heute vielfach Wanderarbeiter aus Nicaragua oder Peru) verdient offiziell etwa 600 USD im Monat und erhält vom Arbeitgeber eine Unterkunft gestellt.

 

Die Biketour mit einer Gruppe von total 9 Personen war sehr spannend und abwechslungsreich.  Jeden Tag gab es viel zu entdecken und meistens hatten wir auch Zeit eine kurze Pause einzulegen wenn jemand etwas näher betrachten wollte. Auf diese Weise ein Land zu ‚erfahren’ war für uns ein ganz tolles Erlebnis.  Das Schöne am Velo ist halt, dass man sehr nahe an der Natur und an den Menschen ist und trotzdem jeden Tag  40 bis 70 Km zurücklegt.  Und das in Gebieten wo Touristen eher selten anzutreffen sind.  Nach 2 Wochen hatten wir das Gefühl, wir hätten doch schon so einiges gesehen und erlebt...

Danach schalteten wir unsere Reisegeschwindigkeit noch einmal einen Gang zurück und tauchten in die tropischen Regenwälder der Karibikküste ein. Vor dem Hintergrund der in allen Grüntönen wuchernden, von spektakulären Blüten und prallen Früchten durchsetzten Pflanzenwelt, tummeln sich farbenprächtige Vögel, Insekten und Amphibien von mini bis maxi. Vor allem während der Dämmerung ist jeweils auch der Geräuschpegel recht beachtlich. Grillen und Zikaden sorgen für einen anständigen Hintergrund. Darüber legen sich vielfältige Vogelstimmen von nettem Gezwitscher über lockendem Rufen und melodiösem Singen bis zu übermütigem Krächzen von ganzen Verbänden. Die Frösche liefern eine weitere Dimension. Ihre kurzen, trockenen Rufe sind wie Ausrufezeichen und reichen vom bellenden, basslastigen ‚muääh’ des Schafsfrosch bis zum hellen ‚bing’ des Laubfrosches. Und über all das legen dann vorallem in den frühen Morgenstunden die Brüllaffen ihr markiges Gebrüll welches klingt wie ein wütender Kettenhund mit einem beachtlichen Lungenvolumen. Eine Kakofonie sondergleichen!  Und ein Geräuschpegel der uns morgens ab 5 Uhr aus den Federn holt. Das ist die beste Zeit um Tiere zu beobachten, denn um diese Zeit sind sowohl viele nacht- als auch tagaktive Tiere unterwegs. Die Abenddämmerung ist dann nur sehr kurz und um 18:00 ist es bereits dunkel. Ganz wie in der Schweiz zu dieser Jahreszeit...

Ein weiterer Höhepunkt war die Selva Bananito Lodge.  Der Grossvater von Jürgen Stein ist als Deutscher Kriegsflüchtling nach Kolumbien ausgewandert. Als dort die Lage für die Familie in den 1970er Jahren kritisch wurde, hat sein Vater ein 2000 ha grosses, unerschlossenes Gebiet am Rio Bananito gekauft und ist mit seiner Familie dorthin gezogen. Der Boden eignete sich weder für Bananen, noch für Kakao weshalb die Familie begann Rinder zu halten. Um Platz für die Landwirtschaft zu schaffen wurde der Primärwald abgeholzt und für die wertvollen Hölzer ein schönes Sümmchen eingestrichen. Jürgen hat sich schon in jungen Jahren an dieser Art der Bewirtschaftung gestossen und hat zusammen mit seiner Schwester seinen heute 90 jährigen Vater zum Umdenken bewogen. Seit den 90er Jahren gibt es nun die Selva Bananito Lodge. Die Farm dient nur noch zur Versorgung der Gäste und Angestellten und die rund 1500 verbliebenen Hektaren Primärwald in den unzugänglichen Hängen der Cordillera de Talamanca sind ein einzigartiges Refugium für Tiere und Pflanzen, ein wichtiger Korridor für migrierende Tierarten wie Jaguar und Puma, Quellgebiet von 3 mächtigen Flüssen und Wasserspeicher für die gesamte Südkaribik, wichtiger Teil des grenzüberschreitenden Parque Internacional de Amistad und ein herausragendes Beispiel für eine umsichtige Weltanschauung. Jürgen ist ein engagierter, umtriebiger Manager in Sachen Umwelt, Gründungs- und Vorstandsmitglied in gleich mehreren regionalen, nationalen und internationalen Projekten, Stiftungen und Interessevertretungen rund um die Themen Mensch und Umwelt.  Kurz, eine beeindruckende Persönlichkeit.

Nach diesen vielen intensiven Erlebnissen haben wir uns in Cahuita und Puerto Viejo de Talamanca , an der Grenze zu Panama ein paar Tage ausgeruht und das easy going in der Karibik in uns aufgesogen. Schmucke Dörfer mit vielen Bars und Kneipen, Reggae Music überall, kilometerlange Sandstrände, Korallenriffe und der Regenwald der direkt bis an den Strand wuchert und auch ausserhalb der Parks so einiges zu bieten hat. Die Kariben in dieser Gegend stammen von den ersten Plantagenarbeitern ab welche Ende des 18.Jh vor allem aus Jamaika kamen. Und diese Kultur hat sich in dieser Region bis heute erhalten. Die bunten Farben, der Stolz, die Lebensfreude, die Rastas, die Surfer,  das karibische Englisch, die vielseitige, wunderbare Küche mit all den Lekerbissen aus dem Atlantik...den Menschen hier geht es gut und das färbt ganz eindeutig auch auf die Besucher ab!

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